
30% Energieeinsparung
Inhalt

Maßstäbe setzen
»Die Gäste erwarten, dass ihr Kreuzfahrtschiff bestmöglich dafür ausgerüstet ist, die Umwelt zu schonen. Dies zu erfüllen ist unsere Aufgabe.«
Ryan Eickholt, Umweltoffizier Mein Schiff 3
Majestätisch nähert sich die Mein Schiff 3 im morgendlichen Dämmerlicht dem Hafen von Civitavecchia, eine Autostunde von Rom entfernt. Es ist noch früh, doch auf dem jüngsten und größten Kreuzfahrtschiff der Flotte von TUI Cruises – einem Joint Venture von TUI und der US-Kreuzfahrtgesellschaft Royal Caribbean – ist das Leben an Bord bereits erwacht. Viele der 2.500 Gäste nutzen den Balkon ihrer Kabine für einen Blick auf den Hafen, in den sie am vierten Tag der Mittelmeerkreuzfahrt einlaufen. Für die meisten steht nun ein Tagesausflug in die italienische Hauptstadt auf dem Programm. Kaum hat das Schiff festgemacht, strömen die ersten Gruppen von Bord. Die Stimmung ist erwartungsfroh und entspannt: gestern Korsika, heute Rom. So lässt es sich urlauben.
An der Ladeluke, keine zehn Meter vom Ausgang entfernt, steht Ryan Eickholt und schaut kurz auf die ausschwärmenden Gäste. Für sie beginnt ein neuer Ferientag, für den Umweltoffizier der Arbeitstag. Der 25-Jährige steuert das ausgeklügelte Öko- und Abfallsystem des riesigen Schiffes. Schließlich steht die Mein Schiff 3 nicht nur für unbeschwerte Urlaubstage, sie setzt auch neue Maßstäbe beim Umweltschutz. 30 Prozent weniger Energie verbraucht sie im Vergleich zu anderen Passagierschiffen dieser Klasse. Und der Ausstoß von Schwefel, Stickoxiden und Partikeln liegt jetzt schon deutlich unter den Grenzwerten, die teilweise erst ab 2016 gelten.


Umweltmanagement hinter den Kulissen
„Die Gäste erwarten, dass ihr Kreuzfahrtschiff bestmöglich dafür ausgerüstet ist, die Umwelt zu schonen“, sagt Ryan Eickholt, seit zwei Jahren für TUI Cruises tätig. Das Umweltmanagement findet in Bereichen statt, von denen die Gäste häufig gar nicht wissen, dass sie existieren. Ihre Welt sind die elf Restaurants und zwölf Bars, der Spa- und Sportbereich, der 25 Meter lange Pool, die exklusiven Shops, der Konzertsaal, das Theater und das Museum. Die Welt von Ryan Eickholt, geboren in Florida, ist nicht so luxuriös. Der Arbeitstag des US-Amerikaners, der über ein Team von vier Mitarbeitern verfügt und dem alle anderen Bereiche zuarbeiten, beginnt im Zentrum der Abfallentsorgung.
Es dauert knapp eine Stunde, dann hat die Besatzung unter Aufsicht des Umweltoffiziers den Abfall an die Mitarbeiter einer italienischen Entsorgungsfirma weitergegeben. Für ein Schiff, auf dem inklusive Besatzung 3.500 Menschen leben, kommt erstaunlich wenig zusammen: ein paar Kisten Glas, Papier, zusammengepresster Abfall. Dass diese Menge möglichst klein bleibt, dafür sorgen modernste Anlagen, die den Abfall trennen, verbrennen oder verarbeiten. „Wissen Sie, was das ist?“, fragt der Umweltoffizier und zeigt auf einen Behälter mit einer Masse, die aussieht wie die verkohlten Krümel, die sich unten in einem Toaster ansammeln. „Das sind die Reste vom Abendessen gestern.“ Eine Maschine entzieht ihnen das Wasser; was dann noch übrig bleibt, wird verbrannt und kann danach fachgerecht entsorgt werden.
Moderne Kläranlage an Bord
Wenn Ryan Eickholt mit seinen Mitarbeitern spricht, gibt er klare Anweisungen. Er besitzt trotz seines jungen Alters eine natürliche Autorität. Die Uniform mit dreieinhalb Streifen und einem Stern auf den Schultern zeigt seinen hohen Rang an Bord. Der schonende Umgang mit der Natur ist ihm wichtig, auch wenn es etwas komplizierter wird. Bei der Entsorgung des Wassers zum Beispiel: Wo 3.500 Menschen duschen, essen, schwimmen gehen und die Toilette benutzen, fällt selbstverständlich eine große Menge Abwasser an. „Das Meer ist ein sensibler Lebensraum“, sagt Ryan Eickholt. „Es ist für uns daher eine Selbstverständlichkeit, dass keinerlei belastende Substanzen ins Meer gelangen.“ Damit das gewährleistet ist, behandelt ein technisch aufwändiges System alle Abwässer nach: das so genannte Grauwasser aus den Duschen, Küchenabflüssen und Wäschereien sowie das Schwarzwasser aus den Toiletten.
In einem riesigen Tank im Bauch des Schiffes verrichten hungrige Bakterien ihren Dienst: Sie fressen die für die Umwelt gefährlichen Stoffe auf und reinigen das Wasser damit biologisch vor. Im Anschluss durchläuft es einige weitere Filter und Maschinen – und ist am Ende so sauber, dass es gefahrlos entsorgt werden kann. „Man kann unser Abwassersystem mit modernsten Kläranlagen an Land vergleichen. Auch damit übertreffen wir deutlich die geforderten Standards“, sagt der studierte Umweltingenieur mit Blick auf den mit Stahlwänden gesicherten Bakterientank.
Ryan Eickholt muss laut sprechen, denn hier unten geben die Maschinen den Ton an. Warm ist es auch, wobei diese Form der Energie nicht verpufft: Das Schiff nutzt die Abwärme der Motoren, um zum Beispiel die beiden Pools zu heizen – und benötigt dadurch täglich 1,6 Tonnen Kraftstoff weniger, als wenn das Wasser konventionell auf Temperatur gebracht werden müsste.
Zurück an Deck: Hier ist die Frühstückszeit für die Langschläfer angebrochen, die auf den Ausflug nach Rom verzichtet haben, um das angenehme Leben an Bord zu genießen. Beim Schlendern durch Restaurants und Kabinentrakte sowie über die 18.000 Quadratmeter großen Außendecks wird klar, wie vielfältig die Maßnahmen zum Umweltschutz auf der Mein Schiff 3 sind. In den Kabinen gibt es keine Minibars, dafür erhalten die Gäste Glaskaraffen, die sie an Trinkwasserstationen auffüllen können. Ein System mit Poolhandtuchkarten motiviert die Gäste, nicht wahllos viele Handtücher auf den Außendecks zu nutzen. Das Resultat: 30 Prozent weniger zu waschende Textilien.

»Umweltschutz ist für uns kein Lippenbekenntnis, sondern wichtiger Teil unserer Unternehmensstrategie, insbesondere im Zuge der Expansion.«
Wybcke Meier, Vorsitzende der Geschäftsführung TUI Cruises
Techniken sind eng verzahnt
Deutliche Einsparungen stammen auch daher, dass die Beleuchtung systematisch kontrolliert wird und energiesparende LED-Lampen eingesetzt werden. Und die moderne Klimaanlage holt sich, wenn das Schiff in den nördlichen Gefilden Europas unterwegs ist, Unterstützung vom kühlen Meerwasser. „Wichtig ist, dass alle diese Ideen und Techniken miteinander verzahnt sind und reibungslos funktionieren“, erklärt Ryan Eickholt.
Schiffsingenieure sagen, es dauere mindestens ein Jahr, bis sich alle Systeme an Bord eines neuen Schiffes eingependelt haben. Die Mein Schiff 3 ist nach 19 Monaten Bauzeit erstmals Mitte Juni 2014 in See gestochen – und an diesem Tag erst drei Monate lang unterwegs. Ryan Eickholt und seine Crew finden aber für technische „challenges“, also Herausforderungen, wie er in seiner anpackenden amerikanischen Art sagt, ebenso pragmatische wie umweltschonende Lösungen.
Ein Beispiel ist das kombinierte Abgasnachbehandlungssystem, bestehend aus einer Entschwefelungsanlage und einem Katalysator. Es ist ein Prototyp, eigens für die Mein Schiff 3 entwickelt. Das System erstreckt sich insgesamt 60 Meter über alle Decks und macht es zu einem „Niedrig-Abgas-Schiff“.
„Hier werden die Abgase gesäubert und gefiltert. Über mehrere Stufen werden die Schadstoffe, vergleichbar mit einer überdimensionalen Dusche, herausgewaschen“, so Ryan Eickholt. Das bedeutet: eine signifikante Reduktion der Schwefeloxide um bis zu 99 Prozent sowie ein deutlicher Rückgang von Partikeln um bis zu 60 Prozent und von Stickoxiden um bis zu 75 Prozent. „Wir möchten, dass unsere Systeme möglichst bald perfekt eingestellt sind“, sagt Ryan Eickholt. „Denn wir haben den Anspruch, mit unseren eingesetzten Technologien Maßstäbe in der Branche zu setzen.“

»Man kann unser Abwassersystem mit modernsten Kläranlagen an Land vergleichen. Auch damit übertreffen wir deutlich die geforderten Standards.«
»Man kann unser Abwassersystem mit modernsten Kläranlagen an Land vergleichen. Auch damit übertreffen wir deutlich die geforderten Standards.«